Freitag, 11.02.2011
Ägypten stehen entscheidende Stunden bevor. Die Hoffnung ist Wut und Frustration gewichen. Hunderttausende Menschen warteten auf dem Tahrir-Platz auf den Rücktritt von Hosni Mubarak. Doch als klar wurde, dass sich der 82-Jährige weiterhin an die Macht klammern will, wurde es zunächst still. Dann brachen Demonstranten in Tränen aus und reagierten frustriert. Die aufgebrachte Menge zeigte Mubarak Schuhe als Zeichen ihrer Verachtung. Die Protestierer schrien «Mubarak weg, Suleiman weg».
Während die Demonstranten noch irritiert beieinanderstehen, ruft Vizepräsident Suleiman via Fernsehen sie auf, «nach Hause zu gehen». Danach sieht es nicht aus. «Diese Rede ist eine Provokation», erklärt Mohammed Abdul Rahman, ein junger Anwalt, der sich am Donnerstag zum ersten Mal den Demonstranten angeschlossen hat. «Das wird die Leute noch enger zusammenschmieden, und es werden noch mehr Menschen kommen.» Die Demonstranten rufen für den Freitag zu einem «Marsch der 20 Millionen» auf.
Mehrere Tausend Protestler marschierten in der Nacht vom Tahrir-Platz zum staatlichen Fernsehen. Auch in der Nähe des Präsidentenpalastes sollen sich mehrere hundert Demonstranten eingefunden haben. Beide Gebäude werden vom ägyptischen Militär geschützt.
Der ägyptische Oppositionspolitiker Mohamed El Baradei hat die Armee zum Eingreifen aufgefordert. «Ägypten wird explodieren», sagte der Friedensnobelpreisträger mit Blick auf die enttäuschten Demonstranten in Kairo. «Die Armee muss jetzt das Land retten», sagte El Baradei über Twitter. «Ich rufe die ägyptische Armee auf, sofort einzugreifen.»
«Auf einem anderen Planeten»
Der Demonstrant Hassan Chalifa, ein Chemiker, versichert, dass der Protest weitergeht. «Er hat schon früher versucht, die Menschen zu spalten», sagt er über Mubarak. «Aber jetzt durchschauen ihn die Leute und sie haben begriffen, wie er vorgeht.»
Der Blogger Philip Rizk berichtete aus der Menge der Demonstranten, keiner sei mit Mubaraks Rede einverstanden gewesen. «Es ist, als ob er auf einem anderen Planeten lebt», sagte er am Telefon dem Nachrichtensender N24. Seine Reden hätten nie irgendetwas mit der Realität zu tun gehabt, «als ob er über ein anderes Land redet». Auch Rizk ist überzeugt, dass die Demonstranten so lange auf dem Platz bleiben, bis Mubarak wirklich zurücktritt.
Zögerlicher internationaler Druck
Die internationalen Reaktionen blieben vorsichtig. US-Präsident Barack Obama kritisierte lediglich, die Führung des Landes sei noch nicht ausreichend auf die Forderungen des Volkes eingegangen. Er rief die Regierung in Kairo auf, zügig konkrete Angaben zu machen, welche Veränderungen sie bereits eingeleitet habe.
Nach Ansicht der EU ist die Zeit für einen Wandel in Ägypten nun angebrochen. Sie werde den Machthabern dort weiter übermitteln, dass «ein geordneter, aussagekräftiger und dauerhafter demokratischer Übergang» nötig sei, teilte die EU-Aussenbeauftragte Catherine Ashton in Brüssel mit.
Der französische Präsident Nicolas Sarkozy bezeichnete einen Rücktritt des ägyptischen Staatschefs Hosni Mubarak als unumgänglich. Er hoffe, dass der Staat «den Weg der Demokratie findet und nicht den Weg einer anderen Diktatur, einer religiösen Diktatur», sagte Sarkozy im französischen Fernsehen.
Volksfeststimmung vor der Rede
Lange vor Mubaraks Rede versammelten sich Zehntausende Protestierende auf dem «Platz der Befreiung». Die Hoffnung auf einen sofortigen Rücktritt war gross. Viele der Menschen lagen sich in den Armen und hatten Tränen in den Augen. Dies, nachdem Gerüchte die Runde gemacht hatten, Mubarak werde in der TV-Ansprache seinen Rücktritt verkünden. Auch Wael Ghonim verkündete über Twitter er werde auf dem Platz dabei sein. Der Google-Mitarbeiter gilt als einer der Organisatoren der Proteste, die am 25. Januar begonnen haben. Er sass während zwölf Tagen in Haft. Erst am Dienstag ist er freigelassen worden. Erstmals zeigte gestern auch das ägyptische Staatsfernsehen Live-Bilder vom Tahrir-Platz.
(uwb/meg/rub/sda/dapd)
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12:48
Zeinobia twittert eine Auflistung, wo überall demonstriert wird: Kairo, Alexandria, Mansura, Damnhur, Tanta, Mahalla, Asuit, Sohag, Bani Sawfi, Suez, Port Said und Damietta. Oppositionspolitiker Al-Baradei untertreibt also nicht, wenn er twittert: «Die ganze Nation ist auf der Strasse. Der einzige Ausweg für das Regime ist, zu gehen. Die Macht der Strasse kann nicht gebrochen werden. Wir werden uns durchsetzen. Ich hoffe immer noch, dass sich die Armee uns anschliesst.»
12:42
Die britische Zeitung «Guardian» hat eine interaktive Grafik der Situation in Kairo veröffentlicht. Gut zu sehen ist darauf die Distanz zwischen dem Tahrir-Platz und dem Präsidentenplalast in Heliopolis, die rund 15 Kilometer beträgt.
12:38
Auch vor dem von der Armee geschützten Präsidentenpalast in Kairo haben sich hunderte Demonstranten versammelt. Laut Al Jazeera haben sie wütend reagiert, als ein Oberst die Menschen gebeten hat, Mubarak einen ehrenhaften Abgang zu gewähren. Der Offizier wurde demnach ausgebuht und konnte seine Ansprache nicht zu Ende führen.
12:34
Offenbar hat jemand die Website der ägyptischen Regierungspartei NDP gehackt. Zurzeit ist dort zu lesen: «Geschlossen bis Mubarak und das Regime fallengelassen worden sind».
12:31
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hält die teilweise Abgabe der Macht des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak für unzureichend. Zugleich forderte sie, nicht gewaltsam gegen die Demonstranten vorzugehen. «Die Enttäuschung der Demonstranten und der Demokratiebewegung ist verständlich», sagte Merkels Sprecher Steffen. Das Ende des Ausnahmezustands sei gut. Aber: «Es reicht nicht, was er (Mubarak) in Aussicht gestellt hat.»
12:30
Beobachter vor Ort berichten übereinstimmend, dass sich noch nie so viele Menschen an den Protesten in Kairo beteiligt hätten.
12:12
Trotz beengter Platzverhältnisse drängen immer weitere Demonstranten auf den Tahrir-Platz, berichtet dpa. Aus ihren Sprechchören spricht die pure Wut darüber, dass sich Präsident Mubarak in ihren Augen weiter an die Macht klammert.
12:06
Der Tahrir-Platz platzt aus allen Nähten. Eine Reporterin von Al Jazeera berichtet, dass sie keinen einzigen freien Platz mehr sehen könne.
12:01
Nach Ende des Freitagsgebet skandieren die Demonstranten in Kairo wieder ihre Slogans gegen Präsident Mubarak: «Geh! Du musst gehen!»
11:59
Auch in Alexandria werden nach dem Ende des Freitagsgebet neue Proteste erwartet.
11:45
Eindrückliche Szenen auf dem Tahrir-Platz, wo das Freitagsgebet seinen Höhepunkt erreicht hat. Aus zehntausenden Kehlen ertönt der Ruf «Allahu Akbar» (Gott ist gross).
11:42
Iran stört die BBC
Nach umfangreicher Berichterstattung über die Unruhen in Ägypten ist die Ausstrahlung des britischen Senders BBC im Iran gestört worden. Seit Donnerstagabend sei die Übertragung des persischen TV-Angebotes unterbrochen, teilte die BBC am Freitag in London mit. Satelliten-Techniker hätten eindeutig herausgefunden, dass die Störung aus dem Iran komme.
11:39
Auf dem Tahrir-Platz in Kairo zelebrieren Zehntausende das Freitagsgebet.
11:35
Die Armee hat in ihrem Communiqué auch erneut ein Ende der Demonstrationen und die «Rückkehr zur Normalität» gefordert. Sie warnte vor der Gefährdung der Sicherheit im Land.
11:29
Mubarak angezeigt
Ägyptische Bürger haben den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) aufgerufen, Vorermittlungen gegen Präsident Husni Mubarak wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzuleiten, berichtet dpa. Der Gerichtshof in Den Haag müsse prüfen, ob Mubarak und Mitglieder seiner Regierung wegen der Unterdrückung des Volksaufstandes in Ägypten angeklagt werden könnten. Neben Mubarak müssten dafür auch der Vizepräsident Omar und Ex-Innenminister Habib al-Adli zur Verantwortung gezogen werden, erklärten die Antragsteller, die ihre Identität «aus Sicherheitsgründen» vorerst nicht veröffentlichen wollen. Die Staatsanwaltschaft beim IStGH äußerte sich zunächst nicht zu dem Aufruf.
11:23
Dass die Streitkräfte nach wie vor nicht mit Mubarak brechen, dürfte die Verärgerung unter den Demonstranten, die seit mehr als zwei Wochen in Massenprotesten den Rücktritt Mubaraks fordern, weiter anheizen.
11:18
Die Armee hält somit weiterhin zu Präsident Mubarak und unterstützt bis auf weiteres dessen Entscheidung, nicht zurückzutreten und die meisten Amtsbefugnisse seinem Stellvertreter Omar Suleiman zu übertragen.
11:12
Die von der Armeeführung versprochene Aufhebung des Ausnahmezustands ist bedeutsam. Seit der Machtübernahme Mubaraks 1981 ist das Notrecht in Kraft. Wann der Schritt vollzogen wird, liessen die Militärs allerdings offen. Die Aufhebung des Ausnahmezustands war seit Jahren eine zentrale Forderungen der Opposition.
11:02
Die Armeeführung kündigte im «Communiqué Nummer zwei» an, sie werde den Weg zu freien und fairen Wahlen und zu einer demokratischen Gesellschaft sichern. Der seit Jahrzehnten geltende Ausnahmezustand werde aufgehoben, sobald es die Situation erlaube. Kein friedlicher Demonstrant müsse Strafverfolgung fürchten, berichtet die Nachrichtenagentur dpa.
10:56
Die Armee veröffentlicht das «Communiqué Nummer zwei»
Die Armeeführung hat sich nach einer Krisensitzung erneut zu Wort gemeldet. Demnach will die Armee garantieren, dass alle Versprechen, die Präsident Mubarak und Vizepräsident Suleiman gemacht haben, zeitig umgesetzt werden.
10:51
In Kairo ist der Tahrir-Platz nicht mehr der alleinige Fokus der Protestbewegung. Nach Mubaraks Rede haben hunderte Demonstranten eine Menschenkette vor dem Gebäude des staatlichen Fernsehens und Rundfunks gebildet. Die Protestierenden hinderten Mitarbeiter daran, in das Gebäude zu gelangen. Weitere Protestierende zogen am Freitag zum Sitz des Kabinetts und zum Parlament. Soldaten und Panzer bewachten die Strasse, die zum Fernsehgebäude führt. Sie hinderten die Demonstranten aber nicht daran, dorthin zu gelangen. Zusätzlich zum Massenprotest auf dem Tahrir-Platz waren Kundgebungen an sechs weiteren Stellen geplant. «Wir werden überall campieren, um den Druck auf das Regime zu erhöhen», sagte Abdel-Rahman Samir, einer der Organisatoren gegenüber der Nachrichtenagentur AP.
10:41
Vizepräsident Omar Suleiman hat Premierminister Ahmed Shafiq angewiesen, einen Stellvertreter aus einem «Rat der Weisen» zu ernennen, der mit der Regierung Gespräche geführt hat. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur MENA würde dieser stellvertretende Premierminister einen «nationalen Dialog» beginnen.
10:17
Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert Ahmed Ali Shouman, Major der ägyptischen Armee: «Die Solidaritätsbewegung der Streitkräfte mit der Bevölkerung hat begonnen.» Shouman und 15 andere Offiziere haben sich mit den Demonstranten verbündet.
10:13
Al Baradei zu CNN: «Suleiman ist der verlängerte Arm Mubaraks. Sie sind wie Zwillinge. Sie sollten für das Wohl des Landes abtreten.»
10:01
SDA: Bewaffnete haben im Grenzgebiet Ägyptens zum palästinensischen Gazastreifen eine Polizeistation beschossen. Der Angriff in der Nacht zum Freitag sei Reaktion auf die Rede von Präsident Husni Mubarak gewesen, der nicht wie gefordert zurückgetreten war, berichteten Augenzeugen in der ägyptischen Grenzstadt Rafah.
09:44
Die Nachrichtenagentur AP zitiert ein ehemaliges Kabinettsmitglied in der Regierung Mubarak, der ägyptische Präsident suche nach einem ehrenvollen Abgang. Der israelische Infrastrukturminister Benjamin Ben Eliezer sagte dem Armeeradio, er habe kurz vor dessen Rede mit Mubarak gesprochen. Dieser wisse, dass er am Ende des Weges angekommen sei und wolle nur auf eine ehrenvolle Art und Weise abtreten.
09:38
Al Arabiya berichtet, Quellen haben bestätigt, dass Mubarak nach Scharm al Scheich am Roten Meer geflogen ist.
09:29
Das Hauptgebäude des ägyptischen Staatsfernsehens ist offenbar abgeriegelt. Laut Al Jazeera kommt seit vergangener Nacht niemand mehr herein und niemand mehr heraus.
09:00
Eskaliert heute die Situation? Für viele Beobachter vor Ort könnte der Tag gekommen sein, an dem die friedlichen Proteste in Gewaltakte umkehren. Die starre Haltung Mubaraks führe zu einer Radikalisierung der Prostester, kommentiert CNN. «Wir warten auf eine starke Reaktion der Armee», sagte Mohammed Mustapha, ein Sprecher der Protestbewegung. Er rechne für heute mit einer «Riesenzahl» von Demonstranten. Die Sprache war von bis zu 20 Millionen Menschen landesweit.
08:52
Die Rolle der Armee rückt ins Zentrum des Interesses in Ägypten. Experten der internationalen TV-Stationen CNN und Al Jazeera sehen einen Wandel der Interessen bei den Streitkräften. Während sie zu Beginn oft schützend vor Demonstranten standen, schauten sie nun bei Gewaltakten zu oder waren gar selber daran beteiligt. Die Experten mutmassten, dass die Armeespitze ihre Privilegien, die sie unter dem Regime Mubarak hatten, nicht aufgeben wollen.
08:23
Das Treffen des obersten Rates der ägyptischen Streitkräfte ist laut einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur MENA beendet. Das Treffen sei vom Oberbefehlshaber und Verteidigungsminister Feldmarschall Huseein Tantawi geleitet worden, berichtete MENA. Die Veröffentlichung einer «wichtigen» Erklärung stehe kurz bevor.
Im Fokus der heutigen Proteste stehen laut der BBC der Hauptsitz des Staatsfernsehen und der Präsidentenpalast, der rund 15 Kilometer von Kairos Zentrum entfernt ist. Bereits in der Nacht sollen erste Demonstranten in Richtung des Palastes aufgebrochen sein.
07:52
Das ägyptische Militär hat einem Fernsehbericht zufolge eine «wichtige Erklärung» angekündigt. Der Hohe Rat der Streitkräfte werde sich «in Kürze» mit einer Mitteilung an die Bevölkerung wenden, berichtete der Sender Al-Arabija am Freitag. Weitere Einzelheiten wurden nicht genannt.Statistik: Verfasst von Hadiyati — 11.2.2011, 13:55
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