Bezness aus tunesischer Sicht

[Hadiyati]

aussage einer frau, die seit vielen jahren mit einem tunesier verheiratet ist und sich oft in tunesien aufhält:

viele familien bestimmen einen sohn, der sich am besten eignen würde, den sprung nach europa zu machen. sei es wegen seines attraktiven aussehens, wegen seines charmes oder weil er sprachgewandt ist. in ihn wird investiert. er wird mit allem ausgestattet was nötig ist, um auf dem "markt" konkurrenzfähig oder gar besser zu sein. modische kleidung, accessoires, handy, bargeld...
dieser hat den auftrag via liebschaft nach europa zu gelangen.

offenbar ist dies so selbstverständlich, dass sich niemand gedanken darüber macht, dass es sich grundsätzlich um betrug handelt.

meine bekannte war schockiert, als sie feststellte, dass dies auch in ihrer eigenen familie passiert, obwohl sie diese in all den jahren als integer betrachtet hatte.

[Krissy]

Tja, wenn das Gesetz keine andere Wahl lässt.
Sie machen ja nur, was von gesetzes wegen legal ist.
Man MUSS heiraten, und für eine Heirat wird bei uns Liebe vorausgesetzt.
Mein grösster Groll gilt den Politikern.
Nicht falsch verstehen: natürlich ist das kein Grund, kriminell zu werden. Und Beznessers sind kriminell, ohne Frage.
Krissy

[koala21]

Echt? Ist das noch immer so? Ich dachte dass die moderne Welt in den letzten Jahren doch Einzug gehalten hat?
War das ein falscher Eindruck von mir, dass zB die jungen Frauen (um die 30) ja auch nicht mehr verschleiert rumlaufen, sondern viele studieren und sich modern anziehen mit Minis und Highheels!
Das schreckt mich persönlich jetzt ganz arg!!!
Hoffentlich ändert sich das alles endgültig ab den neuen Wahlen (bzw. dass es die ersten Anstöße zu Änderungen gibt)!

[Hadiyati]

lass dich nicht von westlichen outfits täuschen, koala!
uns vermittelt dies westliche denkweise, offenheit und toleranz. die traditionen und familienstrukturen sind aber trotzdem sehr stark, denn das ist ihre lebensweise, sind ihre werte. und nur so konnten die familien bisher überleben.

auch hier gilt: blut ist dicker als wasser! die familie, und damit ihre regeln und werte, kommt immer zuerst. highheels, jeans und laptop ändern da nicht viel.

[Krissy]

Hier kann ich Hadiyati nur zustimmen! Und das gilt nicht nur für Tunesien.
Krissy

[Birkin]

[Hadiyati]

[Birkin]

[Sofia]

Das Problem ist aus meiner Sicht auch, dass der von der Familie Auserwählte ja nicht nach Europa heiraten soll für sein persönliches Wohl, sondern damit die Familie davon profitieren kann.

Selbst wenn ein so Auserwählter dann tatsächlich Gefühle für seine Frau entwickelt, sich eingliedern möchte, ein neues Leben beginnen möchte - es wird ihm praktisch unmöglich gemacht: er steht unter einem enormen Druck seitens der Familie.

Dann zieht am einen Ende des Seiles die Ehefrau - am andern Ende die Familie. Es braucht enorm viel Kraft und Willen für einen so Auserwählten (und auch seitens seiner Ehefrau), sich soweit wie möglich und notwendig zu lösen.

Ich habe übrigens sogar davon gehört, dass es auch "angenommeme" Kinder gibt, die dann für solche Zwecke eingesetzt werden. Habe aber nie genaueres darüber gefunden.

[Birkin]

Liebe Sofia,

das ist ein sehr passendes Bild, das du da aufzeichnest mit dem gespannten Seil.

Ich überlege mir eben, daß die Situation nur befriedigend zu lösen ist mit völliger Ehrlichkeit und dem Erkennen, daß auch der Mann in diesem Fall ein Opfer emotionalen Mißbrauchs seitens seiner Familie geworden ist. Täter und Opfer in einem. Und es setzt ein Unrechtsbewußtsein voraus, das billige Entschuldigungen nicht zuläßt.
Dann wird es vielleicht möglich sein, daß Mann und Frau gemeinsam an dem Seil ziehen.
Aber auch dann wird es ein langer und sehr nervenaufreibender Prozess sein.
Es wird nur möglich sein, wenn beide Partner die Fähigkeit besitzen,die Angelegenheit offen unter neuen Gesichtspunkten zu betrachten und gemeinsam an der Umsetzung ihrer Wünsche arbeiten.

[Sofia]

Liebe Birkin

Ja, das Seilziehen ist für mich ein gutes Bild. Es erlaubt auch einen Blick darauf, wie realistisch es ist, dass sich ein Mann (oder eine Frau im umgekehrten Fall) aus seiner Familie in gewisser Weise löst. Es ist seinen Herkunft, es sind seine Wurzeln.

Manchmal kommt mir auch das Bild einer Waage - in der einen Waagschale die Ehefrau (oder Ehemann), daneben wenig bis nichts - in der anderen Waagschale Familie, Umfeld, Heimat. Es braucht enorm viel, dass die Waage ins Gleichgewicht kommt.

Auf der anderen Seite ist die Waage im Ungleichgewicht durch die unterschiedliche Verankerung in der Berufswelt bei, in der der ausländische Ehegatte oft einfach die schlechteren Karten hat, es sei denn, er bringt eine sehr gute Ausbildung mit - die auch noch anerkannt wird. Für Frauen ist es oft einfacher, einen "gewichtigeren" Mann zu akzeptieren als für einen Mann. Statistisch gesehen - leider habe ich keine Quelle - ist es offenbar auch so, dass oft Gewalt ins Spiel kommt, wenn ein Mann sich der Frau unterlegen fühlt. Das betrifft nun überhaupt nicht nur binationale Beziehungen.

Sofia